Montag, 16. Juli 2012

Spurensuche

Wenn ihr wissen wollt, warum ich nicht wieder ins Leben trete, und mich nicht bemerkbar mache auf irgend eine Weise, um diejenigen anzuzeigen, die mir das Leben nahmen?
So wisst, dass ich nicht weis, ob der Zustand in der ich mich befinde tatsächlich der Tod ist.
Ich verweile weiterhin unter Euch, ich wandle durch eure Märkte und streichle die Kinder, die am Wegrand Murmel spielen. Ist das nich lebendig sein? Wenn nicht, was ist es dann?

Irgend etwas ist jedoch anders als zuvor wie es in dem Zustand war, die allgemein Leben genannt wird: Es vergeht keine Zeit mehr. Ich fürchte mich nicht, dass meine Liebsten mir abhanden kommen könnten.
Es ist ein fliessender Erkenntnis vorhanden, dass die Körper die uns trugen oder tragen empfindsame Fühler sind, die nicht wie eine Wahrnehmung, verloren gehen können.
Ich kann nicht einmal sagen, ob ich einen Körper führe. Ich nehme Wärme wahr, Feuchtigkeit, Saueres, Helles, Spitzes, Lautes. Ich kann aber nicht sagen ob ich Fingerspitzen habe, Ohren, Pupillen, Zunge. So ist es mit der Unvergänglichkeit.
Falls ich dennoch weiterhin ein Körper haben sollte, -zumindest in Euren Augen- so ist es mir klar, dass es einmal absterben wird. Werde ich jedoch überhaupt mitbekommen, wenn das passiert?
Werden meine bisherigen körperlichen Wahrnehmungen sich nicht auf andere Bestandteile des lebendigen Seins begeben?

Ich müsste eigentlich diejenigen melden, die dem Körper die Lebendigkeit raubten. Falls sie das tatsächlich taten?
Ich habe vergessen, wie eine Zunge bewegt werden kann um ein Laut zu formen. Ich vergas das Heben des Handes, um einen Stift zu halten. So dauert es noch lange, bis ich meine Anklage verfasst habe. Wenn ich so weit bin, werden die Körper derer wohl auch längst leblos und verwest sein, die mich töteten.

Muss ich denn aufstehen um eine Gesamtklage zu erheben, gegen alle Tötenden?
Vergeben sind Hass und Gewalt nicht. Die Schmerzen sind nicht vergeben.
So erhebe ich im Zustand, dem der Tod nichts mehr ausrichten kann Anklage; gegen alles Tötende. Gegen jegliches Verbrechen, das je stattgefunden hat. Wohlwissend, das ich auch solchen Verbrechens mich schuldig gemacht hatte. Deshalb will ich verhindern, jemals wieder Lebenden Schaden zuzufügen.
Denn nun bin ich lebendig.

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